Montag, Dienstag, es wird immer ruhiger, beschaulicher. Die Leute sind freundlich. Einfaches Essen, meine kleine „Wohnung“, ein POD. An einem Ort bleiben, zur Ruhe kommen, mich zentrieren. Den See wieder und wieder begehen, kennen lernen, ihn „zähmen“ (St.Exupéry), Freunde werden.
Schwimmen? Nicht wirklich! Wandern im Knietiefen Wasser schon eher! „Kneippen!“ lacht die Kellnerin, die gleich heisst wie ich. Sie wird im November mit ihrem Mann für 3 Monate unterwegs sein, Marokko ist angesagt...
Das erste Mal baden: was mir zuerst auffällt im sandbraunen Wasser sind die vielen winzigen Fischchen, 1,5 – 2 cm lang. Der Boden ist weich, angenehm zum Gehen. Manchmal wachsen Moose, Gräser, Algen: einige wunderbar flaumig, andere leicht kratzig. Die feinen roten Linien an meinen Füssen zeugen davon. Es stellt sich die Frage, warum an einem bestimmten Ort Pflanzen wachsen, und gleich daneben gedeiht gar nichts ...
Ich greife nach einem leuchtend orangen „Stein“ auf dem See-Grund: er zerfällt zwischen meinen Fingern. War wohl eher eine Hinterlassenschaft eines Tieres.
Ein Schwarm Fische, grünbraun – gelb gestreift, diesmal 10 – 12 cm lang. Da – ein Schatten huscht vorbei: es ist ein grosser Fisch, mindestens 30 cm lang. Ein Plätschern am Schilfrand: eben ist ein Reiher gelandet. Zur rechten Zeit am richtigen Ort hinschauen.
Ich lese, spiele, gönne mir einen Mittagsschlaf – aus dem ich schwer aufwache –, gehe zum 3. Mal am Tag im See wandern... Ein Kanu mit zwei Paddlern, ein Schwan mit aufgestellten Flügeln: wunderschön. Daneben bin ich alleine in meiner Ecke des Sees. Frieden. Auf dem Wasser glitzern Sonnen-Diamanten: was bin ich reich! Sie gehören gleichzeitig mir und allen. Die Sonne und das Wasser malen goldene Wellen auf den Seeboden.
Zum Trocknen setze ich mich auf einen Stein. Was stört mich denn da? Nein, es ist kein zweiter Stein, es ist eine Brennessel: seit Jahren hat mich wieder mal eine erwischt. Ich kann es noch am nächsten Tag spüren.
Heute tanzen gelbe und braune Schmetterlinge nur wenig über dem Wasser, ein Libelle surrt vorbei, ich höre die Flügelschläge einer Ente, den Ruf eines mir unbekannten Vogels.
Mal ist die Sicht ganz klar, ich erkenne Eiger, Mönch und Jungfrau, dann wieder ist alles wie verwischt im Dunst. Jetzt: wunderschöne Kumuluswolken am stahlblauen Himmel, ein Donnerschlag ein bisschen entfernt aus den dunkelgrauen Wolken. Aber das Gewitter zieht ungeregnet vorbei, ich sehe nur die Streifen des fernen Regens.
Die Sonne ist seit wenigen Minuten untergegangen, der Himmel ist unglaublich: hellblau, mit weissen, grauen, rosa und goldenen Wolken. Am Horizont streichen die Sonnenstrahlen in den Himmel. Langsam färbt sich der ganze See rosarot...
Ein weiterer Ferientag geht zu Ende. Und ich will nicht aufhören, mit offenem Herzen durch die Welt zu gehen...
19. August 2016